Hartmut Regenstein                                                                                   15.09.1981

Langerohstr. 5

4600 Dortmund 13

Gedanken zu einer möglichen Position der Arbeitsgemeinschaft Ev. Schülerarbeit (AES) in der Friedensdiskussion.

In : Archiv der Evangelischen Kirche im Rheinland, Düsseldorf, Akte Nr. 283 aus dem Bestand „ Schülerbibelkreise“, Signatur SWV 013

Weil wir Verantwortung für „ eine Welt „ haben, die Gott uns geschenkt hat, müssen wir Verantwortung  wahrnehmen.

Das heißt, wir müssen uns einmischen. Unser erster Ansprechpartner ist die ev. Kirche, darüber hinaus wenden wir uns auch an den politischen Raum.

1.      Christsein und Friedensengagement.

Die Verantwortung des Menschen für den Frieden wird schon im Schöpfungsbericht angesprochen. „ In Jesus Christus ist unsere Erde, ist uns Menschen Frieden verheißen. Gott hat die Menschen beauftragt, Verantwortung für seine Erde zu übernehmen“ (aus einem Aufruf der AEJ zur Friedenswoche 1981). Im Angesicht des angehäuften Zerstörungspotentials von atomaren und chemischen Waffen hat der Bund der Ev. Kirchen in der DDR festgestellt: „ Es gibt schlechthin keinen Wert, und sei er noch so hoch, der um den Preis von einigen hundert Millionen Toten verteidigt werden dürfte oder müßte. Wir müssen deshalb zu bedingungslosen Gegnern der modernen Massenvernichtungswaffen werden“ (aus dem Glaubensbuch  „ Aufschlüsse“, Hrsg vom Bund der Ev. Kirchen in der DDR).

Es wäre zu wünschen, dass die Ev. Kirche in Deutschland ebenfalls so eindeutig Stellung beziehen würde.

2.      Die Rüstungssituation in Ost und West

Die Diskussion über „ die Nachrüstung“ der Nato hat den Menschen deutlich gemacht, auf welchem atomaren Pulverfass wir sitzen. In der BRD lagern über 7.000 atomare Sprengköpfe, auf die wiederum sowjetische Raketen zielen. Das System der nuklearen Abschreckung geht davon aus, dass der, der als Erster schießt, als Zweiter stirbt. Mit der geplanten Installierung von eurostrategischen Waffen in Westeuropa erreicht die Rüstung in Europa eine neue Qualität, eine neue Spirale des Wettrüstens, die den Frieden nicht sicherer macht, steht an. Mir erscheint es wenig sinnvoll, angesichts der Möglichkeit des mehrfachen Overkills über „ ungefähres Gleichgewicht“ zu streiten, wir müssen  das System der atomaren „ Verteidigung“ angreifen, das davon ausgeht, dass die BRD nur um den Preis einer vollständigen Selbstvernichtung  „ verteidigt“ werden kann.

Im Jahr 1981 werden die Ausgaben für Rüstung auf der Welt auf über 1 Billion DM ansteigen, eine gigantische Summe für Zerstörung und Selbstzerstörung. Angesichts der Verpflichtung für die Armen in der Welt (3. Welt) müssen wir Christen diesen Tatbestand kritisieren.

3.      Linien der Friedensbewegung

Einig ist sich die „ neue Friedensbewegung“ darin, weitere Atomwaffen der Nato abzulehnen. Im Mittelpunkt der Diskussion steht das Bemühen, den Nato- Nachrüstungsbeschluss zu verhindern. Allerdings gehen im Grundsätzlichen die Vorstellungen über eine realistische Alternative in der Sicherheitspolitik weit auseinander. Das Gespräch zwischen den verschiedenen Diskussionsansätzen beginnt erst- wir sollten uns sachkundig machen.

Folgende Richtungen lassen sich unterscheiden:

a.      Frieden schaffen ohne Waffen, gänzlicher Verzicht auf Waffen, Gewaltfreiheit, Konzept der sozialen Verteidigung.

b.      Umrüstung der Bundeswehr zu defensiven Waffen, Abschaffung der atomaren Waffen, Konzept des Techno-Guerilla, territoriale Verteidigung/Afheldt

c.      Politische Umorientierung der BRD in Richtung  Blockfreiheit, Neutralität, Erwägung eines Austritts aus der Nato.

d.      Politik der kontrollierten Abrüstung vom Status Quo der bestehenden Rüstung, keine weiteren Atomwaffen in Ost und West, Vorschlag eines Moratoriums der 1000 Tage.

Es kann für uns nun nicht darum gehen, für eine Linie Partei zu ergreifen und diese als christliche Politik zu deklarieren. Eine solche kann es nicht geben. Zum einen müssen wir prüfen, wie der Friedensauftrag des Evangeliums glaubwürdig umgesetzt werden kann, zu anderen bedarf es sorgfältiger und gründlicher politischer Analysen, um eine Alternative zum System der atomaren Abschreckung zu entwickeln. Mir schweben folgende, vorläufige Punkte für ein glaubwürdiges Friedensengagement der AES vor:

4.      Mögliche Standpunkte der AES in der Friedensdiskussion

a.      Ächtung aller Massenvernichtungswaffen. Schaffen wir die Atomwaffen ab in der Welt, beginnen wir damit in der BRD.

b.      Abbau von Feinbildern durch verstärkte Ost-West-Kontakte. Aufbau einer gesamtdeutschen Friedensbewegung in Ost und West. Von Deutschland sind zwei Weltkriege ausgegangen. Wir Deutsche haben eine besondere Friedensverpflichtung vor der Geschichte. Ein erster Schritt für eine glaubwürdige Verpflichtung zum Frieden wäre die Einstellung jeglichen Waffenexportes.

c.      Bewusstmachung der Tatsache, dass wir eine eingeschränkte Souveranität haben. Die USA entscheiden über Existenzfragen unseres Landes. Wir müssen die Entscheidungsfreiheit zurückholen, dies gilt auch für die DDR.

d.      Die Kirche muss ein Ort sein, wo die Diskussion um den Frieden stattfindet. Angesichts der Einengung der Diskussion in der Gesellschaft  ist die Kirche als Gemeinde Jesu Christi  für viele Menschen eine Hoffnung. Diese Hoffnung muss am Leben gehalten und ausgebaut werden.